Napkin.ai: Grafiken für den Sprachunterricht? – Unbedingt!

Ein Beitrag erstellt von Michaela Kühl

Bestimmt hast du schon von Napkin gehört? Das ist ein KI-Tool, das jede Art von Text blitzschnell in übersichtliche Visualisierungen verwandelt. Aber was soll das im Sprachunterricht bringen? Das habe ich mich zuerst auch gefragt. Aber nachdem ich nun eine Weile getestet und damit gespielt habe, bin ich begeistert: Hier sind meine Top-5-Anwendungsfälle:

Erster Vorschlag: Basis für Tafelbilder

Napkin liefert dir in 2 Sekunden eine super Grundlage für dein Tafelbild. Oft besprechen wir im Unterricht umfangreiche Texte oder recht komplexe Zusammenhänge: das deutsche Sozialversicherungssystem, das Schulsystem, Konjunktur, Businessplan, Globalisierung, Interkulturalität, Qualitätsmanagement… Wo fängt man da an, ins Gespräch zu kommen? Lange Texte wirken manchmal etwas einschüchternd auf die Lerner.

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Napkin ist es egal, wie komplex oder philosophisch es wird. In 2 Sekunden kondensiert es den Inhalt deines Textes auf die wesentlichen Aspekte und macht sie als farbige Grafik sichtbar. Du kannst mit der Maus durchscrollen: Ist es dir als Zeitstrahl/Flussdiagramm lieber oder als Mindmap? Balkendiagramm? Pyramide? Tabelle?

Du entscheidest, was du brauchst. An dieser Visualisierung entlang lässt sich nun das Unterrichtsgespräch deutlich leichter entwickeln und das Tafelbild erweitern: Stell Fragen und lass die Lerner fragen. Kläre Begriffe, sammle Beispiele oder bitte um Vergleiche zum Heimatland, um eigene Erfahrungen. Es bleibt jederzeit das Ganze im Blick und alle sehen, was schon besprochen ist und was noch fehlt.

Zweiter Vorschlag: Argumente sichtbar machen

Ein Klassiker in B2-Kursen sind Pro-Kontra-Diskussionen, – in der allgemeinen B2-Prüfung genauso wie beim Deutschtest für den Beruf (DTB): Denk mal an den Forumsbeitrag! Viele Lerner tun sich sehr schwer damit, überhaupt Argumente zu finden; aber auch damit, sie aus einem Text herauszufischen. Das muss intensiv geübt werden.

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Hier bietet Napkin gleich mehrere Möglichkeiten: Lass das Tool zu einem vorhandenen Text eine Pro-Kontra-Tabelle erstellen: Zeige die Tabelle und bitte die Lerner, zu den Stichworten in der Tabelle die entsprechenden Textpassagen zu suchen und zu markieren. Es wird im Lesetext gänzlich anders formuliert sein. – Im Anschluss natürlich vertiefe das Gespräch: Welche Argumente finden die Lerner einleuchtend? Welche nicht und warum?

Napkin kann übrigens – wie Claude, Perplexity oder ChatGPT – dir auch die Texte selbst generieren: Formulier einfach deine Frage oder bitte um einen Pro-Kontra-Text zu: Frauenquote, vegetarischer Kantine, Fortbildungen am Wochenende, Mindestlohn etc. Lass die Lerner nun eine Pro-Kontra-Tabelle erstellen und anschließend mit der Napkin-Tabelle vergleichen. Alle gefunden? Lass die Lerner zu den Stichworten der Tabelle Beispiele finden oder am Ende in 2 Gruppen gegeneinander argumentieren – nur mit der knappen Tabelle, damit sie nicht am Text kleben/zu viel ablesen dabei.

Dritter Vorschlag: Textstruktur und Unterthemen sichtbar machen

Napkin bündelt auch 2 Seiten Text mit vielen Zwischenüberschriften mühelos und macht die Teilthemen auf einen Schlag übersichtlich. So geht es viel schneller, Gruppenarbeiten in der Klasse zu verteilen: Hier sind die 4 Haupthemen des Textes in Kurzform und farbig gruppiert. Welches Thema interessiert dich? Welche Gruppe möchtest du? Kein ewiges Suchen mehr.
Oder frag die Lerner, was die zentralen Themen im Text/im Abschnitt sind und vergleich mit Napkins Analyse und Visualisierung.

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Die Struktur eines Textes/ einer bestimmten Textsorte (z.B. Reklamation, Forumsbeitrag etc.) ist den Lernern wesentlich leichter zu erklären, wenn sie als Grafik gezeigt werden kann: So ist der typische Aufbau leichter zu erfassen, lässt sich leichter einprägen und reproduzieren.

Vierter Vorschlag: Gerüst für freies Sprechen/Präsentationen

Das ist eindeutig mein Favorit. Du kennst das Problem, dass sehr viele Lerner mit dem Präsentieren und freien Sprechen große Mühe haben. Zu viele schreiben lange Texte und umständliche, unverdaute Satzgebilde auf und lernen die dann auswendig. Das ist wenig hilfreich/sinnvoll. Das freie Sprechen lässt sich super trainieren mit einer Mindmap oder einem Flussdiagramm. Dort sind immer noch die wichtigsten Punkte da, aber eben keine Sätze. Es muss alles spontan produziert werden.

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Napkin zaubert so etwas in 2 Sekunden zu jedem beliebigen Thema oder Text.
Du kannst klassische Themen also auch vorbereiten und die Lerner dazu präsentieren lassen. Oder – noch besser – du zeigst ihnen Napkin und wie es funktioniert. Sie können zu ihrem Thema selbst eine Mindmap erstellen lassen, mit der sie präsentieren.

Fünfter Vorschlag: Diagramme erläutern

Ab B2, definitiv aber ab C1 (Stichwort Studienvorbereitung) führt kein Weg mehr vorbei am Erläutern von Diagrammen. Ich habe früher ewig nach aktuellen Grafiken zu bestimmten Themen das Netz durchforstet oder mühsam Grafiken selbst gebastelt. Was ich im Netz fand, passte meist entweder nicht zum Thema meiner Lektion, war völlig veraltet oder setzte die falschen Akzente. So war die Unterrichtsvorbereitung ein mühsamer und langwieriger Weg.

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Mit Napkin wird dieser Prozess erheblich vereinfacht: Das Tool generiert dir unterschiedliche Balken- und Tortendiagramme, die du beliebig weiter editieren kannst, – zu deinem Thema, deinem Wunschtext, passgenau. Sekundensache.

Funktionen, Schwächen und Preis

Probier es einfach mal aus. Ich bin sicher, dass sich mit der Zeit weitere gute Anwendungsfälle ergeben. Das Tool ist sehr benutzerfreundlich und die Funktionen selbsterklärend. Neben Englisch ist als zweite Sprache inzwischen auch Deutsch verfügbar. Nur ganz, ganz selten verirrt sich ein englischer Begriff in die deutsche Version. Aber als Profi kontrollierst du ja ohnehin immer, was dein KI-Tool abliefert.

Du kannst mit Napkin alle Texte und Grafiken bequem editieren: Schriftart, Farben, Formen, Größen und Position auf dem Blatt leicht verändern. Auch Fotos suchen oder eigene hinzufügen und alles herunterladen oder mit Kollegen und deinen Lernern teilen. Bei den angebotenen Grafiken würde ich mir noch ein paar mehr Varianten wünschen und ansprechendere Farben zur Auswahl. Auch mehr Möglichkeiten, die Schriftgröße stufenlos zu verändern, wären gut. Aber man kann damit leben. Das kommt sicher noch.

Aktuell befindet sich die Anwendung in der Beta und du kannst den gesamten Funktionsumfang vollkommen kostenlos nutzen. Das Unternehmen kündigt auf der Webseite an, seinen langjährigen Nutzern später ein gutes Angebot für den Pro-Plan zu machen.
Jetzt aber erst einmal: Viel Spaß beim Ausprobieren!

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Michaela Kühl ist Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und Trainerin in der Lehrerfortbildung. Sie bietet verschiedene Seminare zum Thema “KI für Lehrer” an und begeistert sich leidenschaftlich für KI-Kunst.

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